“Die leichte Möglichkeit des Briefeschreibens muß — bloß theoretisch angesehen — eine schreckliche Zerrüttung der Seelen in die Welt gebracht haben. Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern und zwar nicht nur mit dem Gespenst des Adressaten, sondern auch mit dem eigenen Gespenst, das sich einem unter der Hand in dem Brief, den man schreibt, entwickelt oder gar in einer Folge von Briefen, wo ein Brief den anderen erhärtet und sich auf ihn als Zeugen berufen kann. Wie kam man nur auf den Gedanken, daß Menschen durch Briefe mit einander verkehren können?”
“The easy possibility of writing letters must have brought wrack and ruin to the souls of the world. Writing letters is actually an intercourse with ghosts, and by no means just the ghost of the addressee but also with one’s own ghost, which secretly evolves inside the letter one is writing.”
Franz Kafka, Letters to Milena
Liebe Simone,
A.PART Festival neigt sich dem Ende bzw. wenn man es genau nimmt ist es seit gestern „vorbei“. Irgendwie schwer zu greifen, das Ende für etwas, das sich als Festival auf einem virtuellen Blog entfaltet hat. Etwas weigert sich in mir jetzt sentimental zu werden und zu resümieren. Also eher ein Innehalten und kurzes Umdrehen bevor es weitergeht. Zögern, Zweifeln als Thema und als realer Einstieg in eine Situation in der das künstlerische Schaffen an sich durch eine bestimmte Linse als (im pessimistischen Blick für die Zeit) nicht system- relevantes überaus privilegiertes Arbeiten betrachtet werden könnte. Auf persönlicher Ebene hat mich das Zusammen-Arbeiten durch die Wochen getragen und Kraft gegeben. Auf künstlerischer Ebene hat der Freiraum uns Wege und Arbeitsformen finden lassen, für die wir uns sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Zeit genommen hätten. Auf gesellschaftlicher Ebene kann und darf es für mich jetzt kein komplettes Innehalten im künstlerischen Schaffen geben. In welcher Form das Schaffen jetzt sichtbar werden kann/soll bleibt für mich eine Frage. Aber in Bewegung müssen wir bleiben. Zweifeln zulassen und als Möglichkeit nutzen Strukturen umzudenken wäre ein anstrebsames, durchaus aber auch sehr ambitioniertes aber notwendiges Ziel in diesem Zustand.
Interessanterweise haben wir aus meiner Sicht trotz oder vielleicht gerade wegen der Ausnahmesituation extrem konzentriert arbeiten können. Zeit- Konturen entweichen und Kriterien, welche Leistung, Tätigkeit oder Haltung wichtig/richtig wären entgleiten uns. Das kann beängstigend sein und ist es für mich in manchen Momenten auch nach wie vor. Es geht mir nicht darum zu verherrlichen in welcher Situation wir uns befinden. Dennoch denke ich, dass diese Form des Schwebezustandes, den man auch im Zaudern verorten kann für uns eine Form des Arbeitens, des Gemeinsam-Seins erlaubt hat, der mich noch lange begleiten wird und mein weiteres künstlerisches Arbeiten prägen wird. Dafür bin ich A.PART Festival dankbar. Ich freue mich auf ein Weitergehen und ja vielleicht kann ich jetzt gerade auch besser als sonst annehmen nicht ganz genau zu wissen wohin, wie und wann. Auch ein Resultat dieser Zeit. Daran das es weitergeht besteht kein Zweifel. Bis dahin… we will survive…
Deine Julia


Dear Simone,
A.Part Festival is coming to an end, or if you look at it correctly it is “over” since yesterday. Somehow hard to grasp, the end for something that has unfolded as a festival on a virtual blog. Something in me now refuses to become sentimental and to summarize. So rather a pause and a short turn around before continuing. Hesitation, doubt as a theme and as a real entry into a situation in which artistic creation in itself could be seen through a lens as absolutely (in a pessimistic view of time) non relevant, extremely privileged work. On a personal level, working together carried me through the weeks and gave me strength. On an artistic level, the freedom has allowed us to find ways and forms of work for which we would most likely not have taken the time otherwise. On a social level, there cannot and must not be a complete pause in artistic creation. In what form the work can/should become visible now remains a question for me. But we have to keep moving. Allowing doubt and using it as an opportunity to rethink structures would be an aspiring, very ambitious but necessary goal in this state.
It is interesting to observe that, in my view, we have been able to work in an extremely concentrated manner despite or perhaps because of the exceptional situation. Time – contours slip away and criteria, which performance, activity or attitude would be important / correct are slipping away from us. This can be frightening and in some moments it still is for me. It is not my intention to glorify the situation in which we find ourselves. Nevertheless, I think that this form of suspension, which can also be located in hesitation, has allowed us a form of working, of being together, which will accompany me for a long time and will shape my further artistic work. I am grateful to A.PART Festival for this. I am looking forward to moving on and maybe I can accept better than usual not knowing exactly where, how and when. Also a result of this time. There is no doubt that it will continue. Until then… we will survive…
Your Julia